Am 27.01.2020 war die Familienbildungsstätte Bocholt erneut Veranstaltungsort des konstruktiven Austauschs über den Nordring/Nordpark. Der Einladung zum Bürgerabend folgten über 150 interessierte Bocholter Bürger*innen. Nach einer kurzen Begrüßung durch Ulrik Störzer (Fabi) folgte eine Einführung in das Thema durch den stellvertretenden Kreisvorsitzenden des NABU Kreisverbandes Borken e.V. Michael Kempkes. Dieser betonte direkt zu Beginn seiner Darstellung, dass der NABU aus verschiedenen Gründen klar und deutlich den Nordring ablehne. Als parteipolitisch neutrale, nicht-ideologische Gruppierung sei es dem NABU jedoch ein Anliegen, keine Spaltung der Gesellschaft hervorzurufen. Deshalb sei die Veranstaltung gemeinsam mit der Fabi als Bürgerabend konzipiert gewesen und bewusst nicht als reine Versammlung für Nordring-Gegner ausgelegt. Der NABU habe Wert auf den Dialog mit allen Menschen gelegt, auch mit jenen, die sich für den Nordring aussprechen. Die wesentlichen Argumente für den Erhalt der Trasse als ökologisch und klimatisch wertvoller Nordpark sind auf der Homepage des NABU-Kreisverbandes Borken nachzulesen (Den Artikel finden Sie hier.).

Das Zusammenspiel von Ökologie und Mensch

Anschließend erläuterte die Sozialökologin Dr. Lisa Heider in einem Impulsreferat die Wechselwirkungen zwischen Bürgern und deren Ressourcenverbrauch, vorangetrieben durch wachsende Bedürfnisse in allen Bereichen, wie bspw. im Bereich Mobilität. Es sei die Verantwortung der Politik, diese Bedürfnisse nachhaltig und verantwortungsbewusst zu lenken, und Gemeingüter, wie innerstädtisches Grün, generationengerecht zu erhalten. Anschaulich bettete sie die zuvor häufig isoliert betrachtete Entscheidung der Nordringpläne in einen Gesamtkontext ein, der neben der Nachfrage nach Mobilität auch Einflussfaktoren, wie intakte Ökosysteme als Lebensgrundlage für unzählige Tier- und Pflanzenarten sowie als Grundlage für unsere eigene physische und psychische Gesundheit, betrachtete.

Das Für und Wider — eine Diskussion, die Emotionen weckte

Der Vielfalt an darauffolgenden Pro- und Kontraargumenten sowie Alternativideen zum Nordring würde eine Spaltung der Besucher*innen des Abends in Befürworter und Gegner des Nordrings nicht gerecht werden. Vielmehr wurde deutlich, dass das über 70 Jahre alte Vorhaben erneut durchdacht und in den heutigen sowie zukünftigen Kontext gesetzt werden muss. Gemeinsamer Konsens herrschte zumindest darüber, dass Themen wie Naturschutz und Nachhaltigkeit prinzipiell Einzug finden müssen in sämtliche Entscheidungsprozesse und somit auch in die die Stadtplanung betreffenden Prozesse.

Häufigstes Argument des Abends für die Notwendigkeit eines dritten Stadtrings blieb die Entlastung einiger Knotenpunkte, wie der Dinxperloer Straße, der Kreuzung am St.-Georg-Gymnasium oder der Vereins- und Baustraße. Aber auch die teils holprigen und langen Wege für Rettungskräfte zum Krankenhaus wurden als Argument für den Bau des Nordrings angebracht.

Demgegenüber wurde durch verschiedene Wortmeldungen angeführt, dass der Nordring als Antwort auf die steigenden Verkehrszahlen das Problem nicht bei der Wurzel packe, sondern wahrscheinlich auf lange Sicht noch mehr Verkehr provoziere. (In Studien wurde dieser Effekt, der auch als indizierte Verkehrsnachfrage bezeichnet wird, bereits häufig bestätigt.)
Stattdessen wurde die dringende Forderung nach einem umfassenden Ausbau des Radnetzes und des ÖPNV laut, der effektiv die vorhandenen Straßen entlaste, wodurch die Situation an den jetzigen Knotenpunkten ebenfalls entspannt werden würde.

Am treffensten brachte es eine junge Mutter auf den Punkt. In ihrem eindringlichen sowie mutigen Appell bekräftigte sie die Tatsache, dass Bocholt kein Verkehrsproblem sondern ein Bequemlichkeitsproblem habe, welches man mit weiteren Straßen nur noch mehr verstärke! Diese These wird bekannterweise durch Untersuchungen bestätigt, die hervorbringen, dass mehr als 50% der Bocholter mittlerweile schon Strecken ab 2 km mit dem Auto fährt (Quelle: Kommunalauswertung Bocholt der Mobilitätserhebung Kreis Borken, 2015).

Nach einem intensiven Meinungsaustausch rief der NABU Bocholt engagierte Bürger*innen zur Bildung eines Interessen-Netzwerkes „Pro-Nordpark“ auf. Dem Aufruf kamen prompt über ein Dutzend Personen nach.

Die Resonanz des Abends zeigt, dass dieses Thema die Bocholter Bürger*innen bewegt. Der NABU bot somit als bislang einzige Bocholter Instanz den Bürgern*innen diese Möglichkeit des Austauschs. Eine komplett neutrale Haltung schließt sich jedoch aufgrund der primären Ziele des NABU, nämlich der Erhalt der Natur, aus!

Der NABU Bocholt dankt allen Teilnehmern*innen für die konstruktive wenn auch hitzige Debatte. Ein besonderer Dank gilt der Familienbildungsstätte, die erneut ihre Räumlichkeiten für dieses wichtige Thema zur Verfügung stellte!