Der „König der Nacht“ ist zurück in Rhede. Foto: Dr. Martin Steverding

Der Uhu ist ein Beispiel für eine Reihe von großen ehemals extrem seltenen Tierarten, die sich in den letzten Jahren erfreulich und oft überraschend schnell wieder ausgebreitet haben. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich der Wolf, aber auch Tierarten wie Fischotter, Biber, Seeadler und Kranich rücken wieder näher. Im Gegensatz dazu steht eine sehr lange Reihe von ehemaligen Allerweltsarten, die es in unserer heutigen Landschaft extrem schwer haben. Dazu gehören die vier „alteingesessenen“ Eulen, der Steinkauz, die Schleiereule, der Waldkauz und die Waldohreule. Allen vier gemeinsam ist, dass für sie die Lebensbedingungen in Rhede in den letzten 15 Jahren erheblich schwieriger geworden sind.

30 betreute Steinkauz-Kästen in Rhede

Den besten Überblick haben wir beim Steinkauz. Bundesweit ist er eine äußerst seltene Art, in ganz Deutschland leben nur etwa so viele Steinkäuze wie Menschen in Rhede. Die meisten davon brüten in Nordrhein-Westfalen, insbesondere am Niederrhein und im Münsterland. Rhede liegt also innerhalb des deutschen Verbreitungsschwerpunktes unserer kleinsten Eule. Günstig für den Steinkauz sind das milde Klima unserer Region mit schneearmen Wintern und – zumindest früher – die vielen Viehweiden. Steinkäuze sind hierzulande ausgeprägte Kulturfolger und leben dort, wo Kühe, Schafe oder Pferde das Gras kurz halten. Wo noch vorhanden, brüten sie in Höhlen alter Apfelbäume, Kopfweiden oder in alten Schuppen und Ställen. Solche Brutplätze sind aber in Rhede und an vielen anderen Orten weitgehend verschwunden. Immerhin kann die Wohnungsnot für den Steinkauz durch spezielle Nistkästen, den „Steinkauzröhren“ gelindert werden. Der NABU Rhede betreut im Stadtgebiet von Rhede über 30 solcher Kästen und fast alle Steinkäuze in Rhede sind auf diese Nisthilfen angewiesen. Wenn aber die Nahrungsflächen, Viehweiden in reich gegliederter Umgebung mit gutem Angebot an Mäusen, Regenwürmern, Käfern und Kleinvögeln, immer mehr verschwinden, dann helfen auch die besten Nistkästen nicht mehr. So ist der Steinkauzbestand in Rhede innerhalb von 10 bis 15 Jahren von rund 40 auf 20 bis 25 Paare zurückgegangen.

Schlechte Mäusejahre werden immer häufiger

Auch für die Schleiereule betreut der NABU mehrere Kästen, jedoch gibt es sehr wahrscheinlich eine unbekannte Anzahl von Schleiereulenpaaren, die auch ohne Kästen noch Brutplätze finden. Die Schleiereule ist hierzulande ein absoluter Kulturfolger und brütet bei uns ausschließlich in Gebäuden. In Rhede brüten sie überwiegend in den Dachböden älterer Bauernhäuser oder Scheunen, zum Teil in darin angebrachten Kästen, zum Teil frei im Gebälk oder Stroh. Einige der alten Gebäude können wegen Einsturzgefahr nicht mehr auf Schleiereulen kontrolliert werden, andere wurden bereits abgebrochen. Auch die Nahrung für den eifrigen Mäusejäger wird knapp. Die Feldmaus als wichtigste Beute unterliegt immer schon starken natürlichen Bestandsschwankungen. Schlechte Mäusejahre werden jedoch immer häufiger in der ausgeräumten und nahrungsarmen Agrarlandschaft, so dass die Bestände fast aller mäusejagenden Vögel zurückgehen.

Ebenso vom Rückgang der Feldmäuse in der Agrarlandschaft betroffen ist die Waldohreule. Im gesamten Stadtgebiet von Rhede gab es in diesem Jahr vermutlich nur 5 bis 8 Bruten dieser ehemals häufigen Art. Waldohreulen brüten in Rhede meist in verlassenen Krähennestern in kleinen Kiefern-Feldgehölzen. Sie führen ein sehr heimliches Leben und werden zumeist kaum bemerkt. Dies ändert sich jedoch wenn die Jungen das Nest verlassen: Wochenlang ist dann von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang ihr durchdringendes Fiepen zu hören, mit dem sie ihren Eltern lautstark signalisieren, wo sie die Mäuse hinbringen sollen.

Eulen als Indikatoren für den Zustand der Landschaft

Der Waldkauz ist von der massiven Intensivierung der Landwirtschaft der letzten Jahre weniger betroffen, denn er ist ein Waldvogel. Er lebt aber auch in Parks, großen Gärten und, wenn genügend Bäume vorhanden sind, in der Stadt. Er entfernt sich aber fast nie weit von den nächstgelegenen Bäumen und fliegt daher kaum in die offene Agrarlandschaft. Waldkäuze brüten am liebsten in großen Baumhöhlen. Sie können aber auch Scheuen und andere Gebäude als Nistplätze nutzen, wenn sie am Waldrand liegen oder zumindest einige größere Bäume in der direkten Umgebung stehen. In Deutschland ist der Waldkauz die häufigste Eule, in Rhede vermutlich noch die zweithäufigste nach dem Steinkauz – allerdings könnte der Steinkauzbestand den des Waldkauzes bald unterbieten. Jedoch hat auch der Waldkauz in den letzten Jahren Brutplätze durch Abbruch von alten Gebäuden und durch Fällung von Bäumen verloren.

Es bleibt zu hoffen, dass alle fünf Eulenarten dauerhaft in Rhede Lebensraum finden. Dies ist aber nur möglich, wenn die landschaftliche Vielfalt nicht noch weiter zurückgeht. Greifvögel und Eulen sind gute Indikatoren für den Zustand einer Landschaft – insbesondere der drastische Rückgang von Steinkauz, Waldohreule und auch Turmfalke sind daher mehr als eine Warnung.

Dr. Martin Steverding